Samstag, 4. April 2009

Nonverbale Kommunikation.

Es war so Kalt. Es war so scheiße Kalt. Aber trotzdem stand ich Draußen. Draußen in der Kälte. Da wo es so scheiße Kalt war. Drin wäre es wärmer, aber auch meine Jacke wäre wärmer. Aber die war Drinnen. Drinnen bei ihrem Beschützer. Der Wächter der Jacken. Mit der wäre mir hier draußen warm gewesen. Aber den Euro zu opfern, nur damit mir warm ist?
Es geht auch anders, ohne Jacke. Noch einen Schluck aus der Flasche aus meiner rechten Hand, die ich danach auf den Boden vor mir stelle. Vorzugsweise einer Stelle ohne Körperflüssigkeiten, die nicht über die Öffnungen ausgedrungen sind, aus der sie normalerweise nicht kommen sollten. Ein Wunder das es überhaupt noch eine freie Stelle gab. Zwei gut gekleidete, für diesen Anlass gut gekleidete, junge Herren beobachteten mich. Wie Hyänen die warteten bis ihre Beute an den Wunden verendet. Doch nach einem zornigen Blick wandte sich auch ihre Aufmerksamkeit anderen Beutetieren zu.
Ich vertrete die Theorie, dass Raucher mehr Leute kennen lernen. Das kommt vermutlich durch das häufige Schnorren, mit "Hast du mal Feuer?" oder "Kann ich auch eine haben?" wird das Eis gebrochen und man kommt oft ins Gespräch. Eis, wie die Kälte hier draußen. Deswegen hab ich wohl damals auch mit dem Rauchen angefangen. Bereut hab ich es bisher nicht, die Banken freuen sich aber. Sie brauchen einiges weniger an Druckerschwärze auf meinen Kontoauszügen, da die Zahlen nicht besonders hoch sind. Ich zieh mir trotzdem die dritte Zigarette, für diesen Abend, aus der Packung. "Rauchen kann tödlich sein." - Bis heut hab ich davon noch nichts gemerkt. - Gott sei Danke geht kein Wind heut Nacht. Wenn er dafür verantwortlich ist, oder das in irgendeiner Art beeinflussen kann. Die Zigarette brennt, und sofort beginnen sich die ersten Hyänen zu nähern. Nicht weil sie sehen wollen wie ich am Qualm ersticke, viel mehr weil sie mich ausnutzen wollen. Aber nach zwei Zigaretten weniger in meiner Packung und vier Mal "Hast du ma Feuer?" bin ich noch immer kein Gespräch reicher. Mit Zigarette im Mund redet es sich so schlecht. Also nickte ich jedes Mal nur und ließ in Angst vor ihren scharfen Zähnen alles passieren.
Die Straße vor mir ist zugeparkt. Auf beiden Seiten, Reihen von Autos und in gewissen Abständen ein quer gestelltes Moped zur Verzierung. Bei meinem Alkoholpegel könnt ich kein Auto mehr fahren, ich bezweifel sogar das ich den Schlüssel passend versenken könnte. Aber die Schönheit und den Glanz des Mondes in dieser Nacht bekomm ich noch mit. Weiß wie der Schnee der mich an die Kälte zurück erinnert. Die Kälte die ich soeben versuche zu katalysieren. Aber mein Katalysator neigt sich dem Ende. Ich schnipse ihn Richtung Mond. Er verglimmt im Flug. Der Mond scheint genau so kalt zu sein wie die Luft heut, Draußen. Zumindest wie die Hälfte des Mondes die zu sehen ist.





Und da kam sie, wie aus dem Nichts. Vom Mond, von einem andere Stern. Sie bahnte sich ihren Weg durch die umherstehenden Hyänen, sie sprang von freiem Fleck zu Fleck auf dem Boden. Im Takt des Beats der hinter uns aus den offenen Türen drang. "Brumm Brumm Brumm". Mit jedem Ausschlag verlor man eine Gehirnzelle. Deswegen mag ich wohl eher die ruhigeren Songs. Einen der jetzt gepasst hätte: "You are the nicest thing.. i´ve ever seen." Wohin sie wollte? Mich vom Trip zum Mond zurückholen? Fragen ob ich Feuer hab? Feuer was höchst wahrscheinlich in ihr lodert. Vom Mond holte sie mich, auf den Boden der Tatsachen. Aber es waren keine schönen Tatsachen, schlecht riechende jedenfalls. Sie stellte sich einfach neben mich. Da waren hunderte Hyänen um mich. Hatte ich die prachtvollste Löwenmähne? Eigentlich nicht, ich hatte mich doch erst sieben Stunden zuvor rasiert. Eigentümlich war das schon. Ungewohnt.
Ich lehnte mich nach vorn, um nach meiner Bierflasche zu greifen. Blieb aber auf halbem Weg stehen. Ich schaute nach links, zu meiner Hand. Zu meiner linken Hand. Denn da hatte ich etwas bemerkt. Aber da war nichts. Ich schaute ein Stück weiter nach links. Ein Stück weiter nach oben und sah in riesige weiße Augen. Ich korrigiere mich, blaue Augen, die den Mond spiegelten. Sie verfolgte meine Bewegung, als ich mich aufrichtete. Sie sah mich einfach nur an. Ich sah mich um, um zu sehen, ob mich einer der Hyänen beobachtete. Ich sah zurück und sie stand immer noch da. Da. Da war es wieder, und diesmal sah ich was es war. Sie zwickte mich in den Daumen. Ich war verwirrt. Ich schaute zum Bier, zu der Öffnung die ich von oben aus sah. Ich sah wieder auf, und merkte ein Kneifen nahe meiner Hauptschlagader. Das etwas, was da neben mir stand wusste wohl wie ich mich fühlte. Kalt. Kalt in meinen Converse, die auch sie an hatte. In einer wunderschönen marine-blauen Farbe, in den Farben ihrer Augen. Ihre Augen folgten noch immer meinen Blicken, wie der Mond der Erde. Hätte ich doch nur meine Jacke, würde sie doch nur Rauchen. Dann hätte ich eine Idee. Einen Beginn für ein Gespräch. Ich schaute zum Mond, und wieder zurück. Ihr Gesicht war schmaler, kein Mondgesicht. Eher zart und dünn, wie das Stück windige Straße, was noch übrig geblieben war zwischen den zwei Reihen von Autos und Mopeds.
Ich wollte sicher gehen, ich nahm die Flasche zu meinen Füßen. Und dann einen Schluck. Nein ich glaube ihre Haare waren nicht gefärbt. Natürlich. So wie ihre ganze Erscheinung. So wie der Mond. Brünett-rötlich, falls jemand fragen wollte. Ich hob die linke Augenbraue, verschloss das rechte Auge und schaute in die Flasche. Halb voll. Halb leer. Bei meinem Zustand wohl eher halb leer. Die Zeit konnte ich nicht genau bestimmen. Spät trifft aber zu. Wieder wurde ich gekniffen. Nun in meine flatterigen Oberarme, die für einen Löwen ohne Mähne passend waren. Es war eine Aufforderung. Eine Aufforderung die Flasche Beiseite zu stellen und ihr wieder ins Antlitz zu sehen. Ihre Nassenlöcher waren sehr klein. Wunderbar um die kalte Luft zu sieben. Sie rauchte mit Bestimmtheit nicht. Auf ihrer Nase waren auch Sommersprossen, Mondsprossen um sie der Zeit anzupassen. Warum werd ich immer gekniffen. Sollte ich sie zurück kneifen?

Jetzt schaute sie sich um. Von meinen Augen zum Eingang hinter uns. Ich nutzte die Gelegenheit und kniff ihr in den Oberarm. Ihr Blick schnellte zurück. Erst zu meiner, sich bereits wieder senkenden, Hand, dann zu mir. 4-eyes only. Aber ihre verengten sich, als hätte ich ihr ernsthaft wehgetan.

Aus meinem Nachttraum war ich erwacht, sie aber wohl nicht aus ihrem. Sie dreht sich um, zeichnete, mit ihren Blicken, einen Weg durch die umstehenden Gruppen, und rannte los. Sie rannte quer durch den Haufen Hyänen, zog dadurch die Blicke auf sich. Doch keiner folgte ihr. Eigentlich hätte meine Handlung klar sein müssen. Ich schaute mich zum Eingang um. Dann zur Flasche in meiner Hand. Sie hatte nun gute zwanzig Meter Vorsprung. Ich sah auf zum Mond. Auge in Auge mit der Silberkugel, dem Silberhalbkreis am Himmel. Und ich sah ihn sich im Auge der jungen Brünetten, die mich immer wieder gekniffen hatte, spiegeln.

Ich warf die Flasche hin, die Hyänen folgten der Wurfparabel, konnten das Zerbrechen und den anschließenden Flüssigkeitsverlust aber nicht verhindern. Dann, ruckartig, bewegte ich meinen Körper. Der durch die Kälte verdammt kalt geworden war. Welch Wunder. Ich vergaß meine Jacke, sollte sie doch der Jackenwächter behalten. Selbst wenn es dann nicht nur ein Euro Verlust gewesen wäre. Den Euro hätte ich doch opfern sollen, dann wäre ich jetzt auch schneller warm geworden. Zumindest mein Gehirn schien noch einwandfrei zu arbeiten, selbst mit Tunnelblick. Ich drängte zur Straße, und folgte der blauäugigen Schönheit in das nächtliche Stadtgewimmel.

Warum sie damals davon gelaufen ist, das weiß ich bis heut nicht. Sie wollte es mir nie erzählen. "Vielleicht geht ihr einfach, und fragt eure Großmutter, was sie damals dazu getrieben hat. Aber ihr werdet wohl keine Chance haben, leider. Sie wollte es schon weder mir noch eurem Vater erzählen.

Vielleicht kann es euch der Mond erzählen."


by Gastautorin Evelyn aka "Lin"

Zeichnung von Kindergartengroßegruppe

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